Real Deal

Hier nun also das lang Interview mit den Machern vom Real Deal Platten Laden in Berlin aus dem Romp 32 auch Digital. Also eigentlich wäre ja ursprünglich die Idee gewesen mal wieder nach Berlin zu fahren und das Inti vor Ort im Laden zu machen, da Berlin aber für mich nicht gleich ums Eck liegt wurde daraus natürlich wieder mal nix. So haben die Leute sich selber interviewt, soll heissen sich die Fragen gestellt die ich ihnen zugesandt hatte woraus dann ein sehr langes teils etwas wirres Gespräch wurde. Da das ganze dann per Diktiergerät aufgenommen wurde, war es echt kein Leichtes dieses lange Gespräch ab zu tippen und zu verstehen. Da sie sich auch immer mal wieder verzettelt haben kann mensch das auch nicht wirklich als Frage und Antwort Inti sehen, sondern halt eher als Gespräch.

Real Deal Logo

Max: Das Wichtigste gleich zu Anfang. Wir befinden uns grad in ner Art Krisensituation und überlegen uns, ob wir überhaupt noch weiter machen wollen. Das einfach mal so vorab. Im Moment sind wir noch zu fünft, allerdings steigen auch immer wieder Leute aus, da wir, wie du weisst, für nix arbeiten, beziehungsweise den Laden auf ner Non Profit Basis betreiben. Daher müssen wir auch immer mal wieder auswärts arbeiten.
Wie gesagt, eigentlich wären wir ja zu fünft, am Interview beteiligen sich heute jedoch nur drei von uns. Also wir beantworten nun einfach mal deine Fragen der Reihe nach, besser wäre natürlich gewesen du hättest mal Zeit gehabt nach Berlin zu kommen, oder wir nach Luzern. Leider haben wir auch nicht all zu viel Zeit, da heute noch ne wichtige Demo ansteht, weil jemand von den Bullen erschossen worden ist, aber das kennt ihr in der Schweiz ja auch. Erstaunlicherweise sind die Bullen sogar vor Gericht gestellt worden, was ja auch schon mehr als erstaunlich ist. Dazu halt die Demo, mal gucken wie weit wir kommen.

Romp: Nun denn, als ich das erste mal bei euch war, dachte ich das es den Real Deal schon ewig gibt. Laut eurer Homepage aber erst seit 97. Wie kommt es dann, dass der Laden meiner Ansicht nach diesen 80 Jahre Alternativtouch hat?

Max: Also die beiden andern hier sind noch sehr jung und ich glaub die wissen noch nicht mal was der 80er Jahre Alternativtouch sein soll. Ich weiss ehrlich gesagt auch nicht so genau was du damit meinst. Ich nehme mal an du beziehst das auf die Tradition der Hausbesetzer Szene oder der Punk Bewegung der End 70er / Anfang 80er. Oder gar noch früher wie Barcelona 36. Wie gesagt, ich weiss nicht genau was du meinst.
Mikro: Ich nehme mal an du beziehst das darauf das alles so schön bunt ist, mit all den Postern und halt nicht so Steril wie in nem Sushi Laden ist. Böse gesagt, so ewig gestrig. Aber Positiv gesehen.
Max: Klar, hier hängen teilweise auch Plakate von 1976 oder von der Portugiesischen Revolution 74, oder Bilder von Durruti, Mühsam, Raul Sendic, den Mujeres Libres oder der Stern der Tupamaros herum, also wenn du so was meinst, ja in der Tradition sehen wir uns schon.
Beavis: Also das Aussehen des Ladens spricht schon für eine gewisse Radikalität.
Max:Wie gesagt, wir wissen nicht genau was du meinst, aber Alternativtouch hört sich eigentlich auch eher etwas negativ an. Alternativ ist in Berlin ja eher ein Schimpfwort für die Grünen (früher Alternative Liste) und linke Spiesser. Aber vielleicht hast du das ja auch Positiv gemeint.

Romp: Um mich hier schnell zu erklären: Der Laden sieht für mich halt echt aus wie wenn er seit 1980 nie verändert worden wäre.
Mikro: Wir sind Höhlenmenschen, wir habe es gerne muggelich. Ich mag halt sterile weisse Räume nicht.

Beavis: Und wir legen halt auch keinen Wert auf Kundschaft die darauf Wert legt.
Max: Also dazu fällt mir grad ein, dass da mal so ein Typ ne Stunde im Laden sass und nie was gesagt hatte. Hab den dann mal drauf angesprochen und der meinte, es gäbe hier so viel zu gucken und so massig Informationen das er gar nicht das Verlangen zu reden gehabt habe. Klar, da ist im laufe der 13, 14 Jahre ja auch noch einiges dazu gekommen.

Real Deal LadenRomp: Mir fiel auf, dass euer Laden irgendwie nicht so ins Bild der herausgeputzten und sanierten Altbauten in der Gneisenaustr. passt. Also ist meine Frage, hat sich die Gneisenaustr. seit 97 derart verändert? Warum die Gneisenaustr.?

Max: Klar hat sich hier viel verändert. Als wir hier aufgemacht haben, gab es noch zwei Punk- oder halt linke Kneipen die auch Punk oder Ska Konzerte machten. Es gab nen netten Weinladen, nen netten Blumen Laden den zwei Schwule betrieben, es war schon ne ziemlich andere Atmosphäre. Dazu fällt mir ein, es gab mal einen Polizei Einsatz wegen nem Steckbrief, den wir ins Fenster gehängt hatten.
Der richtete sich gegen Politiker und Bullen. Also kamen die Bullen an und beschlagnahmten diesen Steckbrief. Kaum waren die wieder weg, haben wir den Steckbrief auch gleich wieder ins Fenster gehängt, und fünf weitere Läden in der direkten Nachbarschaft hängten den Steckbrief dann aus Solidarität auch gleich in ihre Fenster. Sowas wäre heute nicht mehr denkbar. Also solche Läden gibt es hier leider nicht mehr. Auch die beiden Kneipen sind nicht mehr was sie mal waren. Bei der einen ist heute ne teure Bar drin und die andere ist nun eher ne Kiez Prollkneipe wo jedes Fussballspiel von der 10. bis zur ersten Liga übertragen wird. Es gibt hier nun auch mehr und mehr Feinkost- und Spezialitäten Läden. Aber das ist halt eine klare Folge der Gentrifizierung, was in Berlin ein Dauerthema ist. So wurden auch die Häuser saniert und verteuert. Das breitet sich halt aus. So haben wir mal wieder akuten Stress mit der Hausverwaltung. Wir dürfen draussen keine Plakate mehr anbringen. Es hat sich schon sehr verändert. Wir sind nun halt so der „Schandfleck“, was auch genau so von Leuten schon gesagt wurde. Auf der andern Seite kommen auch Leute aus Friedrichshain oder Schöneberg hier vorbei und finden dass wir der einzige “Lichtblick“ in der ganzen Gegend seien. Die bleiben dann auch gerne stehen und lesen was von unseren Wandzeitungen und kommen teils auch rein und fragen nach. Was wir ja auch wollen. Also „Schandfleck“ ist hier auch eher wieder positiv gemeint. Die anderen sind eher erst später dazu gekommen. Mikro hat, glaub ich, den Weinladen noch miterlebt und dann die Yuppisierung. Das ist in Berlin Dauerthema. Da die Stadtteile Kreuzberg und Friedrichshain, sehr beliebt und attraktiv sind, werden diese grad mal so richtig durchgekehrt. Da die neue Mitte ja gänzlichst von Politikern und reichen Schweinen besetzt ist, breitet sich dies nun auch auf unsere Quartiere aus. Teilweise sogar Neukölln. Das läuft natürlich darauf hinaus, dass wir uns hier wohl nicht mehr lange werden halten können. Was ich ganz anfangs gesagt habe, warum wir ne Krise haben, ist dass wir mittlerweile Rechnungen kaum noch bezahlen können. Das dass aber was mit der Gegend zu tun hat, glauben wir nicht.
Mikro: Also die Gegend hier ist keine Gegend wo man als Punk oder Autonomer einfach so mal vorbeikommt. Also ich selber wohne in Friedrichshain und wenn ich mit der Bahn kommen wollte, müsste ich 3 oder 4 mal umsteigen, aber immer nur eine oder zwei Stationen fahren. Wenn man hier vorbeikommen will, muss man das schon vorhaben. Es ist halt nicht so ein Ding von „Ich geh mal zum Bäcker und schau da noch schnell rein.“. Was ich sagen will, ist, die „Szene“ wohnt nicht hier, sondern etwas weiter weg.
Beavis: Na ja, aber in anderen Städten, musst du sogar in ne andere Stadt fahren um in nen guten Plattenladen zu kommen.
Max: Also ich denke das ist eigentlich kein Thema, weil, wenn ich ein Buch kaufen will, dann fahre ich auch ganz gezielt ins Schwarze Risse. Und wenn ich ne Anarcho Punk Platte oder was zu Anarchie in Barcelona oder was über Mexiko holen will, dann geh ich gezielt in einen Laden. Ich meine, sogenannte Laufkundschaft wollen wir eh nicht. Die interessieren mich nicht. Weil die kommen dann hier rein und fragen nach Ärzten, Tote Hosen oder Pink Floyd. Keine Ahnung. Daher meine ich, es spielt keine Rolle wo der Laden ist. Wenn die Leute gezielt was wollen, dann finden sie auch in den Laden.
Mikro: Aber der Anarchistische Laden hatte doch das selbe Problem wie wir....
Max: Ja aber der war ja wirklich am Arsch der Welt, das sind wir hier also noch nicht. Wir sind hier ja praktisch in der Durchfahrtsstrasse von Neukölln, Schöneberg oder zum Mehringhof. Klar hat es sich geändert. Die Läden, wo früher Punk Konzerte waren, sind nicht mehr, wir sind einer der wenigen übrig gebliebenen linksradikalen Läden hier in Kreuzberg 61. Das kann man so sagen.

Romp: Die Szene hat sich ja schwer nach Osten (Friedrichshain) verlagert. Habt ihr mal überlegt umzuziehen?

Max: Also die Gneisenaustr. war damals ein günstiges Angebot und wie wir vorher schon sagten, war es hier früher schon anders mit mehr Punk/normale Kiez- läden. Nen Umzug haben wir uns schon mal überlegt, wobei ich überhaupt nicht das Gefühl hab, dass sich die Szene nach Friedrichshain verlagert hat. Das war vielleicht vor 15 Jahren so. Mittlerweile kenne ich tierisch viele Leute die nach Kreuzberg oder Neukölln gezogen sind. Leute die gerne nach Kreuzberg ziehen. Nur leider ist es momentan schwer ne günstige Wohnung zu finden, so das einige dann doch wieder nach Friedrichshain ziehen.
Beavis: Weshalb ich damals nach Neukölln gezogen bin war einfach, weil ich da ne günstige Wohnung gefunden habe.
Max: Aber ja, wir hatten mal vor an die Grenze zwischen Kreuzberg und Friedrichshain, ans Schlesische Tor, um zuziehen. Das war auch ne ganz gute Ecke, aber leider heute auch schon wieder so durchyuppisiert dass wir da die Miete erst recht nicht mehr bezahlen könnten. Zum anderen bin ich auch nicht so oft in Friedrichshain, und es ist ja auch nicht so, das dass jetzt ein linksradikaler Stadtteil wäre. Hat sich auch sehr verändert. Ich mein, da passieren ja teilweise so traurige Sachen, ich glaub es ist auch der Stadtteil wo die meisten Faschoübergriffe laufen. Wir kennen ja auch nen Plattenladen in Friedrichshain der läuft aber auch nicht so gut.
Mikro: Ähh, das sind schon 3-4 Plattenläden.
Max: Ja, aber ich mein den der so mehr oder weniger etwa das ähnliche Programm hat wie wir. Ich rede ja nicht von KotzenMusic.
Mikro: Gut, Friedrichshain ist voll mit anders aussehenden Leuten, aber das sagt ja auch noch nichts darüber aus, was die dann machen oder denken oder wie aktiv sie sind. Berlin hat ja allgemein das Problem, dass hier sehr viel konsumiert wird. Schon viel Kultur gemacht wird, aber die Leute dann auf den Demos fehlen, weil sie die ganze Nacht durchsaufen mussten oder was weiss ich. Ich ärger mich dann teilweise schon wenn auf ner Demo nur so 1000 Leute sind, was für ne Kleinstadt ja super wäre, aber für Berlin einfach lächerlich. Okay, kommt vielleicht auch dazu dass momentan einfach zu viele Demos sind. Ist ja dauernd was in letzter Zeit. Die Leute suchen es sich dann halt aus wo sie hingehen. Reizüberflutung!
Max: Das hat was. Es gibt hier den Stressfaktor, DAS Berliner Infoblättchen was jeden Monat erscheint, wo die ganzen Konzerte, Filme, Treffen, Vokü's und so weiter drinne stehen für die linksradikale und Punk Szene. Da fällt mir schon seit Jahren auf, dass die sogenannten Soli Partys, mensch säuft für nen guten Zweck, Überhand gewinnen im Vergleich zu Politdates, wie Diskussionen, Lesungen, Vorträge oder halt Demos. Hier in Berlin kannst du eigentlich jeden Tag auf ne Soli Party gehen und an den Wochenenden wahrscheinlich auf zehn. Und es gibt auch Konzerte ohne Ende, so wie es tausende von Punks gibt, oder die so aussehen, aber davon sind nur 2 -3 - vielleicht 400 aktiv. Der Rest geht auf Konzerte oder säuft sich die Hucke voll. Es ist jetzt nicht so, dass hier in Friedrichshain oder Kreuzberg eine aktive Szene bestehen würde. Das ist so mein Eindruck.
Mikro: Zu den Soli Partys, da könnte man sich so ein bisschen an der griechischen Szene orientieren. Ich hab viele Freunde dort. Die meinten auch schon, was soll der Scheiss mit den Soli Partys? Bei uns geht einer rum und sammelt das Geld ein, wenn ein Genosse oder Freund im Knast sitzt und Geld für Anwälte und so braucht. Jeder gibt soviel wie er kann, da muss nicht erst ne Party für organisiert werden. Das ist da so gang und gebe. Hier hab ich das Gefühl es geht eher darum, dass die Leute beim Saufen ein gutes Gefühl haben können.
Max: Ja, ja .. Saufen gegen Rechts. Ha Ha...
Mikro: Wir müssen einfach mal wieder zu den grundlegenden Sachen zurück kehren. Das geht jetzt nicht generell gegen Soli Partys.
Max: An und für sich finde ich die Idee gut, nur das die Party Daten Überhand gewonnen haben. Ich meine, wenn du dir anguckst dass über das ganze Jahr verteilt 5-10'000 Leute regelmässig in der Köpi zu Gast sind, aber zu einer Köpi Demo kommen dann bloss 3000 Leute. Das heisst, dass 2/3 der Leute nur konsumieren. Daher sind wir auch der Meinung, egal wie hoch der Iro ist, er kann trotzdem ein Arschloch sein.
Mikro: Der könnte trotzdem höher sein...Haha!
Max: Da hat Biafra das richtige dazu gesagt, dass Punk nicht auf`m Kopf, sondern im Kopf stattfindet. Um auf die Frage zurück zu kommen. Ich finde Friedrichshain nicht anders als Kreuzberg 36. Klar, es gibt da schon mehr Leute auf der Strasse und eventuell ein paar linke Projekte mehr, aber für den Standort des Ladens würde es kaum nen grossen Unterschied machen. Aber ein Grund weshalb wir wohl bald aufhören müssen, ist dass in der Szene immer weniger Geld vorhanden ist. Ich weiss nicht wie viele Leute von Hartz IV Leben, ich würde mal schätzen so 80%. Die sich dann mit mühseligen Jobs was dazu verdienen und sich dann überlegen müssen, ob sie nun was zu essen kaufen oder ne Platte oder ein Buch. Das macht sich schon stark bemerkbar.
Mikro: Die Leute laden sich auch alles aus`m Netz runter um Geld zu sparen.
Max: Wir hatten auch Stammgäste, die fanden „Ich hab meine Anlage nun an den Computer angeschlossen, ich brauche nun keine Platten mehr.“.
Mikro: Wir können uns nen Umzug eigentlich auch gar nicht leisten. Vielleicht müssten wir auch unser Konzept überarbeiten.
Max: Ja dazu wie es mit uns weitergeht, werden wir nächstens wohl mal ein Plenum abhalten.

Romp: Der Laden ist ja ein Kollektiv. War das von Anfang an so?

Max: Ich bin der einzige der noch vom Anfang an mit dabei ist. Und ob wir von Anfang an eigentlich ein Kollektiv waren? Nee, eigentlich nicht, denn ich hab früher relative gut Kohle verdient und mein Ganzes Geld hier in den Laden gesteckt. Für die Renovierung des Ladens, Regale, Tresen, komplett neue Elektrik und den ersten Bestand. Weiss nicht, über die ganze Zeit so um die 30'000 Euro vielleicht. Am Anfang hat mir meine Tochter und ein Neffe von mir geholfen. Es lief anfangs ganz gut und war nett, aber ein Kollektiv in dem Sinne war es nicht. Ein Kollektiv ist es dann eher durch den Inhalt und die anarchistische Ausrichtung geworden mit den Leuten die dann nach und nach eingestiegen sind. Da fällt mir Jan ein, Mikro der ja immer noch dabei ist, Frankie, so aus der alten Zeit.
Mikro: Oder, der Henning...
Max: Ja, der Henning und der Beavis sind nun auch schon drei oder vier Jahre mit dabei. Von den alten Leuten sind diverse ausgestiegen, aber nie im Streit oder Stress unter uns, sondern wegen Studiumsanfang oder Abschluss, oder anderer Arbeit oder so. Aber richtig rausgeschmissen haben wir auch schon ein - zwei Leute die aus alkoholischen oder inhaltlichen Gründen hier einfach fehl am Platz waren,.
Mikro: Also eher alkoholische Gründe.
Max: In den ganzen 13, 14 Jahren haben wir, glaub ich, noch nie einfach nicht aufgemacht. Ich will nicht sagen dass wir super zuverlässig sind, aber bestimmt eines der zuverlässigsten Projekte hier in Berlin. Selbst wenn wir teilweise erst um 8Uhr morgens volltrunken nach Hause kamen, war samstags um 11 Uhr der Laden offen..... Vom Inhaltlichen her kannst du es als Kollektiv betiteln, aber nicht von der Kohle her. Ich hab früher schon in anderen Kollektiven gearbeitet, wo wir wirklich alles zusammen geschmissen haben, zusammen gemacht haben und uns Einheitslöhne ausgezahlt haben. Was hier halt nicht der Fall ist, da es durch die Jahre gewachsen ist, sich verändert hat, Leute kamen und gingen... Obwohl, momentan ist das Team ziemlich konstant.

Romp:Wo seht ihr die Vorteile eines Kollektivs und wie sieht eures aus?

Max: Die Vorteile liegen auf der Hand, dass du was mit anderen Leuten zusammen machen kannst, Ideen, Kreativität und Arbeit teilen kannst.
Mikro: Tja, die Steigerung der Produktion. Ha Ha Ha.
( Hier fangen sie an in der Gegend herum zu laufen und sich neue Bierchen zu besorgen, sodass ich leider nicht mehr wirklich verstehe um was es geht, Schnappe Sachen wie: “Ja ich bin ein Ossi, Zwangskollektiv“ auf aber so wichtig wird es wohl nicht gewesen sein... Hoff ich mal)
Beavis: Nun, also der Max ist halt der älteste von uns und hat daher wohl am meisten Erfahrung. Ich bin halt der Jüngste und hör dann auch gerne auf seinen Rat, aber trotzdem versuch ich mich hier aktiv einzubringen.
Mikro: Also ich kenne das gar nicht anders als das man sich da einbringt. Jeder hat halt seine Fähigkeiten, und die trägt man dann zusammen, was ein Kollektive ausmacht. So soll es sein. Klar übt die Kohle etwas Druck auf uns aus, aber das liegt an der Zeit. Ansonsten spielt das keine Rolle da wir eh freiwillige „Arbeit“ leisten. Subbotnik!
Max: Wir hatten sogar mal Zeiten wo wir uns was auszahlen konnten. Die Zeiten sind aber leider vorbei. Da wir uns in der Regel darüber einig sind was wir wollen, ist es auch einfach. Gut, wir hatten auch zwei, drei mal Diskussionen weil ein oder zwei Personen etwas nicht im Laden haben wollten. Z.B. ne Platte wegen dem Cover oder den Texten. Daraufhin haben wir dann die Konsens Geschichte abgeschafft und die Einen mussten dann die Anderen - teilweise Zähne knirschend, belustigt oder nicht verständlich - akzeptieren.
Beavis: Das ist aber super so, weil z.B. diese Band Ketamin C für mich und für Henning mit fragwürdigen Attitüden daher kommt.
Mikro: Ich war eigentlich vollkommen dagegen, das die Platte nicht verkauft wird, weil ich die O.K. finde. Aber wenn die Andern damit so ein grosses Problem haben, dann lassen wir es halt.
Max: Das ist ein Beispiel dafür wie wir damit umgehen, und das die Bedenken der Anderen akzeptiert werden. Wir diskutieren auch darüber und sehen dann, ob sich die Standpunkte noch ändern. Uns werfen einige Leute vor, dass wir zu konsequent wären. Den Vorwurf hören wir oft, wir wären zu P.C. und hätten Null Toleranz. Wir haben schon so nen Ruf, aber ich kann damit gut leben. Ich finde nicht dass wir engstirnig sind, aber Sachen die wir halt Scheisse finden oder die zu kommerziell sind gibt es bei uns nicht. Da reicht ein Link zur rechten Szene oder ein sexistischer Text. Klar definieren einige sexistisch anders, aber da reden wir dann darüber.
Mikro: „Ich kann damit leben.“ ist ein gutes Stichwort, weil toll findet man es nicht. Was ich meiner Meinung nach wirklich nicht gut finde an der Berliner Szene, ist das in vielen Hausprojekten angesagte Veto Recht. Weil da kann dann eine Person von nem Haus, die noch nicht mal in der Konzertgruppe ist, sagen sie fände die Band Scheisse, muss das noch nicht mal begründen, und dann findet das Konzert gar nicht oder einfach ohne diese Band statt. Also irgendeinem muss einfach nur ein Furz quersitzen und dann findet wat nicht statt. Das finde ich dann egozentrisch und der Willkür stehen Tür und Tor offen. Ich meine, bei so grossen Gruppen ist so ein Veto Recht schlecht, in kleineren Gruppen finde ich es gut. Ich lehne ja auch keine Platte ab, weil sie mir musikalisch nicht gefällt.
Max: Wir führen diese Diskussionen auch nicht auf die Spitze und fangen noch Streit an, bis wer aussteigt. So harte Diskussionen hatten wir also noch nie.

Romp: Mit dem Laden lässt sich ja kaum Geld verdienen, ausser vielleicht für die Miete. Was sind daher eure Interessen diesen Laden zu haben?

Max: Das wegen dem Geld haben wir glaub schon zur genüge beantwortet. Vielleicht noch mal kurz zur Vergangenheit. Wir machen jedes Jahr ne Rechnung für uns, es geht auch eine ans Finanzamt, aber die für uns zeigt uns halt die finanzielle Situation auf. Das ging die ersten 6-7 Jahre nach oben und seit da geht es nur noch runter. Mittlerweile haben wir Umsätze die 1/3 von den Umsätzen der „guten“ Jahre ausmachen. Wir können grad noch so die Unkosten decken. Was hier so die „Musikjunkies“ in unserer Szene angeht, die immer alles sofort, neu und als erste haben wollen, da können wir einfach nicht mithalten. Da wir einfach das Geld nicht haben. Dafür haben wir, glaub ich, einen sehr guten Ruf was Schulden und Rechnungen bezahlen angeht. Also ich finde das wichtig! Wir können nicht was heute rauskommt morgen schon im Laden haben. Wir kriegen eigentlich alles, aber das dauert dann halt. Weil die Leute aber nicht warten können, kaufen sie es woanders. Ich finde das etwas unsolidarisch, aber das ist nur meine Meinung.
Beavis: Was das Interesse angeht, da gilt es nun vor allem den Laden hier am Leben zu erhalten. Ich finde auch dass die Aktualität der Musik unwichtiger ist.
Max: Ja, ich bin gern der „Schandfleck“ und möchte auch nicht in die Linie eingereiht werden, der anderen Läden mit den „Lachleuten und Nettmenschen“. Klar hab ich mich auch schon gefragt was ich hier mache, wenn ich 8 Std. am Tag hier stehe und niemensch kommt vorbei. Du weisst ganz genau das zwei drei Leute die Platte wollen, aber du kannst sie nicht bestellen, weil du sie nicht bezahlen kannst. Wir tauschen oft oder beziehen die Sachen direkt von Bands, dabei ist ein Problem, dass wir halt kein eigenes Label haben um zu tauschen. Wir haben schon bei zwei, drei Sachen mitgemacht, aber das ist halt etwas wenig zum tauschen.
Mikro: Mein Interesse in dem Laden mit einzusteigen war eigentlich das: Ich war öfter als Kunde hier, kam auch damals aus ner andern Stadt hier her und fand den Laden halt immer schon cool. Weil er dem entsprochen hat was ich gefühlt oder gelebt habe. So punkig und Anarchie so... so.. wie das Romp halt z.B. Wir liegen ja irgendwie so auf nem gleichen Nenner.
Max: Ja finde ich schon auch. Aber nicht was Israel/ Palästina angeht.. (Oh oh)
Mikro: Da liege ich mit dem Romp auf einer Linie..... Wo war ich? Ah ja, wie ich zum Laden kam. Schön punkig und anarchistisch und vor allem keine Kompromisse machend. Das finde ich gut. Was mich an anderen Sachen immer gestört hat war, dass sie auch Scheissdreck verkauft haben wo ich gar nicht mit klar kam. Hier werden halt keine grossen Kompromisse gemacht, aber wir bezahlen auch den Preis dafür. Deshalb bin ich hier eigentlich eingestiegen.
Max: Ich kann mich noch erinnern wie wir uns kennen gelernt haben, ich fand auch eure Szene ziemlich gut...
Mikro: Also er redet grad über meine Heimatstadt Neubrandenburg in Mecklenburg /Vorpommern, wo ich herkomme.
Max: Die haben da ein super sympathisch erkämpftes AJZ und halt wie konsequent versucht wurde die Nazis von den Strassen zu vertreiben, wie es kaum vergleichbare Beispiele gab in der ehemaligen DDR.
Mikro: Da gab es schon noch einige...
Max: Ja klar, Stadtteile wie Connewitz in Leipzig oder Neustadt in Dresden. Aber bei euch war es ja so dass sich die Nazis in der ganzen Stadt nicht mehr haben blicken lassen.
Mikro: Doch schon, aber sie hatten halt nix mehr zu melden.
Max: Das fand ich halt auch sehr sympathisch und passt auch zu „keine Kompromisse“. Da trifft sich die konsequente Linie, lieber mit wehenden Fahnen unter zu gehen als hier Die Ärzte, Ramstein, Kassierer oder Die Toten Hosen zu verkaufen. Natürlich haben die Leute die so was kaufen eher Geld, aber so nen Kompromiss haben wir nie gemacht und machen es auch jetzt nicht.
Mikro: Also um ehrlich zu sein, habe ich auch mit Tote Hosen hören angefangen. Das muss ich jetzt mal sagen.
Max: Ja aber guck dir Campino heute mal an, also ehrlich...
Mikro: Klar machen die viel Scheiss, aber die haben auch ein paar gute Sachen gemacht.
Max: Ja früher vielleicht mal..... Immerhin unterstützen sie okaye Projekte (Pro Asyl etc.)
Mikro: Ich denk da bei „kommerziell“ eher an so Rock 'n' Roll Sachen. Klar könnten wir damit dann eher überleben, oder so Zeug wie Lokalmatadoren, aber genau so`n Zeug haben wir hier nicht.
Max: Da hat er völlig recht. Ich hab da vor ein paar Jahren mal die Charts der meist verkauften Platten in Berliner sogenannten Punkläden (Vopo, Coretex) gesehen. Das waren so Sachen wie OHL, die anscheinend in der Punk Szene noch immer ein gewissen Kultstatus geniessen was ich nicht nachvollziehen kann, Lokalmatadore, Ramstein und Kassierer. Alles Sachen die wir hier überhaupt nie verkaufen würden. Auf der andern Seite haben wir Sachen im Laden was wieder einen andern Teil der Berliner Punk Szene anspricht und wir dahinter stehen können, obwohl es kommerziell verkauft wird. Das sind z. B. Rage against the machine. Ich habe Interviews mit Ami Punks gelesen, die meinten sie wüssten ohne die Videos von Rage against the machine nicht wer Mumia Abu Jamal oder Leonard Peltier ist. Also, wenn wir ne Band korrekt finden dann haben wir sie trotz ihres kommerziellen Labels im Laden. Wir zählen uns ja auch nicht zu dieser „Punk is a ghetto“ Szene, die es hier in Berlin auch gibt. Wir versuchen ja auch durch unsere Wandzeitungen die im Fenster hängen mit Interviews von linken Anwälten oder Texten von Mühsam oder wo es um Griechenland geht, auch nach Aussen auftreten zu können. Also wir sehen uns nicht als ein „Punk ist a ghetto“ Laden, obwohl wir diese Kritik auch schon gekriegt haben.
Mikro: Lieber untergehen als sich verkaufen. Da bleib ich mir selber wenigstens treu. Ich hab da auch ein Problem damit, wenn sich gewisse Sachen einfach an nen Trend anpassen um zu überleben und dafür ihre Inhalte aufgeben. Diese Anbiederei stinkt mir... Ah, vielleicht hast du auch so was gemeint mit der ersten Frage, von wegen Alternativtouch. Ich finde wir stehen schon in einer Tradition die weit zurückgeht, von mir aus bis spanischer Bürgerkrieg oder Pariser Kommune. Da geht man halt unter, aber man verrät sich nicht. Also ich muss mich100% für nix schämen was wir im Laden haben. Beavis würde jetzt wohl sagen: „Hey wir haben Hendrix hier.
Beavis: Wir haben ne Motörhead CD die mir schon etwas peinlich ist. Ha ha ha.
Mikro: Mir ist dafür auch die Amen 81 peinlich, die wir hier haben.
Max: Wir mussten schon diverse Sachen aus`m Sortiment nehmen. Grad zu Motörhead die ja anscheinend viele cool finden, muss ich sagen, ich finde die Scheisse.
Beavis: Und wie ist das mit Motörhead beeinflusst?
Mikro: Stimmt, Sin Logica. Ha Ha! Aber das ist was anderes! Oder?!
Max: Als Motörhead auf`m Abschiedskonzert von den Böhsen Onkelz gespielt haben, vor 100'000 Leuten und Lemmy dann die Band in nem Interview verteidigt hat, wie hart die Jungs gearbeitet hätten um von ihrem „schlechten Image“ weg zu kommen, war klar dass wir das aus dem Sortiment nehmen. Der sagt ja auch er sei kein Rassist, weil er auch schwarze Frauen fickt.
Mikro: Was, wer sagt das?
Max: Ja Lemmy. Nun gut, für manche Leute mag das unverständlich sein, aber uns ist das schon zu viel. egal wie coole Musik die machen. So wie Deadline, egal wie cool die Sängerin ist, wenn die in nem Fascho Laden spielen, dann sind sie raus hier. Wir versuchen zumindest darauf zu achten was wir im Laden haben. Auf unsere Homepage haben wir ja auch den Text, das wir nicht alles wissen können, und ihr uns Tipps geben könnt, was nicht korrekt ist. Der müsste eigentlich auch mal überarbeitet werden.
Mikro: Zu den Onkelz. Es gibt ja vor allem bei den jüngeren Leuten welche, die sagen, die hätten sich ja von rechts distanziert und machten heute ja auch Projekte gegen Rechts. Auf dem Weg zum Rockstar ist so ein Nazi Image ja auch nicht förderlich. Für mich ist da einfach ausschlaggebend, das die sich nie umbenannt haben. Anfang der 90er Jahre, nach der Wende, als im Osten jeder Dorfpenner ein Nazi wurde, das war ne ganz widerliche Zeit, hab ich ja miterlebt, waren die Onkelz DIE rechte Einstiegsmucke. Und das verzeih ich denen nie und ich kauf denen ihren „Wandel“ einfach nicht ab.
Max: Wir haben damals noch Konzerte von denen verhindert, als die noch nicht ganz so gross waren. Ich mag mich erinnern, das war sogar noch kurz vor der Wiedervereinigung 1988, da wurden die Faschos die Strassen lang gejagt, die aufs Konzert wollten. Es gab da auch Bands die sich mit uns solidarisch erklärt haben, Bad Religion fällt mir ein. Die hätten eigentlich auch an dem Konzert spielen sollen dann aber abgesagt als klar war, dass da auch ne rechte Band hätte spielen sollen. Ich hatte auch schon so manche Diskussion mit Leuten die meinten, die hätten sich ja geändert und so. Es kamen hier auch mal ziemlich junge Punks aus Düsseldorf oder Köln an, mit Conflict und Onkelz Aufnähern auf derselben Jacke, wo ich dann meinte: „Hey das geht jetzt gar nicht, und wir verkaufen auch nichts an Leute mit solchen Aufnähern.“ Da sie dazu bereit waren, haben wir dann miteinander geredet und die haben dann ihre Onkelz-Aufnäher abgemacht.
Beavis: Ich kauf es auch denen nicht ab, die angeblich keine Faschos mehr seien und ins unpolitische Lager gewechselt haben.
Max: Ich finde wenn einer aussteigt und mit dem Dreck nichts mehr zu tun haben will, heisst das nicht, dass er gleich Antifaschist werden muss.
Beavis: Ich finde, wenn nicht wirklich eine Wandlung vonstatten geht, dann haben sie es nicht erkannt. Sonnst müssten sie ja dagegen arbeiten, ich glaube nicht das mensch einfach so unpolitisch werden kann.
Mikro: Die Stage Bottles haben da einen guten Text zu „ You can't just change without making a stand“.
(Dann kam anscheinend ein Kunde. Juhui.)

Romp: Alternativ gilt heute ja in vielen Kreisen als absolut uncool und unprofessionell. Kriegt ihr das auch zu spüren und wie geht ihr damit um?

Max: Also wir alle drei haben jetzt anscheinend kapiert dass für dich Alternativ im positiven Sinne gemeint ist. Das bei der 7. Frage! Anstelle von alternativ, sagen wir da eher kompromislos oder gegen den Strom. Also ich finde auch cool und professionell völlig blöd.

Romp meint damit ne Alternative (und so kenn ich das Wort) zu dem was Trend und Norm ist. Wenn du an ner Bar oder in nem Laden halt nicht immer alles kriegst was du sonnst überall kriegst. Ja ein Gegenstück zur vorherrschend Norm, welche dummerweise auch in unseren Kreisen Einzug gehalten hat.

Max: Ist O.K. so.
Mikro: Wir haben hier zum Beispiel keinen im Kollektiv der sich wirklich gut mit Computern auskennt. Wir sind voll die Loser was Computer Sachen angeht.
Max: Konservativ-Punx! Natürlich nicht politisch gemeint, nur technisch.

Romp: Ich betitle mich auch noch oft als Konservativ, obwohl das ja als Fluchwort gilt. Aber das kommt wohl daher das ich mich mit der modernen Technik nicht anfreunden kann, nicht mal ein Handy hab, kein Bock auf My Scheiss, Face book und die Kacke hab, und nach wie vor keinen CD Player besitze, geschweige denn nen MP3. Meine Hosen und Schuhe selber Flicke und das dann halt nen alternativen Weg, im Vergleich zur Norm sehe.

Mikro: Ja, in dem Fall sind wir halt Höhlenmenschen. Ha Ha.
Beavis: Alternativ heisst halt nix gebacken zu kriegen. Sagen zumindest andere.
Max: Per Definition wäre Alternativ ja was positives, mal abgesehen von den linken Etablierten, hat es diesen Hippietouch. Aber wir wollten nie cool sein, und professionell ist auch so ein Wort. Wir sind insofern professionell das wir immer unsere Zeiten eingehalten haben und eigentlich sehr zuverlässig sind. Ich hasse diese Unverbindlichkeit der Szene, komme ich heute nicht, komme ich Morgen. Aber Beavis hat da recht, wir sind daher natürlich völlig un up to date. Ich hab auch noch immer kein Handy. (Romp: Na bitte, was ich oben meinte. Ne? Und so richtig un-cool wird es dann wenn ich beide Hände brauch um mal von nem ausgeliehenen Handy ne SMS zu schreib und 5mal so lang hab wie irgend ein Kind neben mir.)
Mikro: Von Gestern.
Max: Ja, von Gestern mit Blick auf Morgen. Ich hätte das Interview auch lieber mit dir direkt gemacht, und E-mail Intis hasse ich auch. Und cool....das ist doch so ein Begriff aus der Werbung. So das „cool, man“ kommt doch eigentlich aus`m Reggae, aber heute gilt doch so ein Karriere Typ als cool. Wir kriegen schon zu hören, das wir zurückgeblieben seien.
Mikro: Sonderschüler.
Max: Nein, wir machen einfach nicht alles mit was dieses Scheisssystem anbietet. Wir biedern uns auch nicht an und kaufen nen Mp..äähm, i pec.., i Poo...Pot, ich kann das ja noch nicht mal aussprechen. Mit Microsoft bist du der Loser weil du musst Apple sein... aber ich sehe schon dass eine Vernetzung durchs Internet in Sachen Punk und Widerstand Vorteile bringt. Bin ja auch nicht völlig blöd. Ich hab aber bis heute kein Computer. Es gibt schon Leute die sagen „Merkt ihr eigentlich nicht dass sich alles verändert, ihr müsst mal dies oder das.“. Aber das perlt an uns ab. Auch zu Texten die wir draussen zu hängen haben meinen dann Leute: „Was Revolution?! Glaubt ihr noch daran?“. Oder viele Leute sagen dass sie nicht mehr auf Demos gehen, weil sie eh nix ändern könnten. Da fallen mir die Argumente schon auch schwer.
Mikro: Tja, dann sollen sie halt andere Wege gehen! Stattdessen geben sie auf und ziehen sich zurück. Fällt mir grad ein, im neuen Tatort aus Rostock..... Wir sind Tatort Fans (besonders die aus Münster).... da meinte der Mörder: „Luxus? Den Scheiss braucht kein Mensch!“ und so sehen wir das auch. (Dann wird über Tatort referiert..???) Aber wie definiert man Luxus? Materiell oder einfach keine Angst vor der Zukunft haben zu müssen? Sorgenfrei zu sein? Das ist für mich Luxus..... Wir driften ab. Soll ich, solang Beavis auf`m Klo ist, das Gedicht von Fil (Comic Zeichner) mal vorlesen?! Kennt ihr vielleicht von „Didi und Stulle“.
„Pullern im Stehn! Pullern im Stehn, soll`s jeder sehn, könn sich ja wegdrehn. Pullern im Stehn, Pullern im Stehn, mitm Grossen - mitm Kleenn, Wahrheit lässt sich nicht verdrehn, Pullern imStehn, Pullern im Stehn, die Jahre vergehn.“
Beavis: Seid ihr schon fertig?
Max: Nee, ich hab noch eins wenn ich es hin kriege.

„Parmesan und Partisan, wo seid ihr geblieben?
Partisan und Parmesan, beide sind zerrieben.“

Das war so ein deutscher Kabarettist, Matthias Beltz aus der linken Szene aus Frankfurt, glaub ich. Aus der Ecke aus der auch Cohn-Bendit und Fischer kamen, die sich ja auch mal als links definiert haben. Der ist jetzt aber schon ein paar Jahre tot, so wie Cohn-Bendit und Fischer auch, obwohl die noch rumlaufen.
Beavis: Woh eh, die Schweine, da haben wir's. Untote.
Max: Aber wie gesagt, wir kriegen es schon auch zu spüren. Aber wir sind Stur. Anarchisten sind schon immer stur gewesen. Sonnst könnten sie gar nicht überleben. So, und nun zur nächsten Frage sonst werden wir ja nie fertig.

Romp: Ihr seid ja nicht erst seit gestern in der Berliner Punk Bewegung unterwegs. Was habt ihr sonst noch so gemacht?

Mikro: Nun ich bin seit etwa 8 Jahren in Berlin und hab in den 90ern mit Punk und sowas angefangen. Das war eigentlich ne geile Zeit, da wir ab 95 in Neubrandenburg, ne 65'000 Einwohner Stadt, mindestens vier Anlaufstellen hatten, wo sich die linke Szene treffen konnte. Da haben wir halt so Sachen wie Punx Picnics organisiert, ein AJZ aufgebaut, und diverse andere Sachen. Ich mag mich noch erinnern dass wir 98 sogar ne APPD Demo gemacht haben. Ist ja auch umstritten, aber wir fanden es damals halt geil, heute ist das alles nur noch ein Aufguss von alten Sachen. Da hatte auch mal die SPD das Gelände angemietet wo heute das AJZ drauf ist, das war damals noch das Onkel Willi-Ausflugslokal. Richtig geile Lage, direkt am Strand, Wald drum rum, Freilichtbühne, richtig geil. Also kurz vorm Wahlkampf wollte die SPD die Jugend auf ihre Seite ziehen und hatte da 500 Leute eingeladen und so ne Blues Combo auf die Bühne gestellt und 80er Pop aufgelegt. Also ging dann die SPD Tante auf die Bühne und hat sich bei der Jugend bedankt, danach bin ich da mal hoch und hab mir im Namen der APPD das Mikro geschnappt und mich bei der SPD für den schönen Abend bedankt. Meinte dann aber, „Jetzt mal ehrlich, wer wählt denn so ne Scheisse?! Arbeit ist Scheisse!“. Und dann hat ohne Scheiss die Hälfte des Publikums “Arbeit ist Scheisse!“ geschrien. Also da war dann alles klar. Die SPD benutzen und wegwerfen, das war das Thema. Dann bin ich aus persönlichen Gründen, auf der Flucht vom Arbeitsamt, nach Berlin gezogen. Hier in Berlin war es dann etwas schwieriger, weil alles schon da war, gross und unübersichtlich. Ein Problem an Berlin ist bestimmt, dass du hier kein Feedback der „normalen“ Leute mitkriegst, weil alles schon zu oft und zu viel ist. Wenn du aber in ner Kleinstadt was reisst und ne coole Aktion machst, hattest du immer ein Echo das durch die ganze Stadt ging. Es wurde mehr darüber geredet und du hattest ein Erfolgserlebnis. Hier in Berlin gibt es extrem viele gute Sachen die ablaufen, aber sie gehen in der Masse unter. Du bist im „Herzen der Bestie“ und hier geht alles sehr, sehr schnell. Ich fand es für mich sehr schwierig mich mit dieser Schnelligkeit zurecht zu finden.
Max: O.K. Das ist jetzt super lange her, aber ich kann gut nachvollziehen was du sagst. Das ist teilweise was was mich an Berlin auch stört. Das es so beliebig ist. weil ich will auch mit den Leuten Kontakt haben die hier im Haus wohnen und ihre Meinungen zu gewissen Themen hören. Es wäre ja auch langweilig wenn alle genau dasselbe denken würden. Wenn hier irgendwo ne Scheibe eingeschmissen wird interessiert das in Berlin niemenschen mehr. Der Osten, ich weiss nicht, das war ne andere Zeit, das war in den 60ern/70ern. Wenn ich von meiner Kindheit in der DDR erzählt hab, hiess es oft „ Poh, du mit deiner vorbildlichen Kindheit!“. Also ich hatte wirklich ne tolle Kindheit. Ich glaub da sind wir uns auch einig, dass wir die Medienhetze, die grad so läuft von wegen „DDR- die zweite Diktatur“ und auf eine Ebene gestellt wird mit den Nazis, hassen. Wir wollten dazu schon länger mal nen Text ins Fenster hängen. Mittlerweile heisst es dass die DDR-Knäste Konzentrationslager gewesen seien, die SED Bonzen wohnten in Villen... Alles gelogen, schaut euch mal die Häuser in Wandlitz an! Jedes Ein-Familienhaus in Zehlendorf ist mehr Villa. In spiessigen Reihenhäuser haben die gelebt. Na ja, ich hab die DDR früher gehasst, aber eigentlich war es ein guter Ansatz, würde ich sagen. Auf jeden Fall gab es nie die riesen Unterschiede wie hier zwischen arm und reich.
Beavis: Ich erinnre mich eigentlich nur an meine Kindheit in der DDR und die war super.
Max: Hey wir sind drei glückliche DDR-Kinder. (Schallendes Gelächter) Das wird die Überschrift unserer Wandzeitung. DDR Geschichten... Es war ein scheiss Land. Aber was den DDR Knast angeht, ich war ja da auch lange im Knast, aber ich hatte nie Angst um mein Leben, und das mit der Nazi Zeit in einen Topf zu schmeissen, das ist unglaublich. Die Nazis haben aber Millionen Leute ermordet, nicht nur Jüdische, auch Sinti, Roma, Schwule, Kommunisten, Anarchisten, Sozialdemokraten. Also echt, das kann mensch doch nicht mit der DDR vergleichen auch wenn es da tragische Schicksale gab.
Und `89, ich finde eh nicht das da ne revolutionäre Stimmung geherrscht hat. Es gab grosse Demos ja, aber was haben sie geschrienen? „Wir wollen Bananen und wir sind ein Volk.“ Da stand ja die Regierung schon mit dem Rücken zur Wand.
(Das Gehupe von irgendwelchen Fussball Doofis scheint sie wieder daran erinnert zu haben was die Frage war)
Max: Ich war halt in den 70er Jahren an so Sachen wie Brockdorf AKW Kram, Unterstützungsgruppen für spanische Anarchisten, ETA, Portugal `74 oder Knastarbeit beteiligt. Wir haben Häuser besetzt, zwischendurch mal ne Landkommune zu machen probiert... Dann Punk, ja das hat dann etwas frischen Wind reingebracht. Wir haben uns fast geprügelt um die Musik, es gab eben auch Stimmen die meinten Punk sei faschistisch, weil die mit den Provokationen nicht umgehen konnten. Mit dem frischen Wind kam ne Stimmung auf, das ich bis Anfang der 80er noch an ne Revolution geglaubt habe. Wir haben damals ja sogar versucht das Rathaus Berlin zu besetzen. Ha Ha. So mit 3000 Militanten, was mensch sich heute kaum noch vorstellen kann. Ausser in Griechenland und Südamerika sehe ich da etwas schwarz. Aber eben Punk, als ich das erste mal „God save the queen, the fascist regime“ hörte, wusste ich „Das ist es!“. Sprach mir aus dem Herzen. Wusste damals halt noch nix über die Vermarktung. Oder Sachen wie Clash, das hat damals super zur Scene gepasst. Damals gab es fast 250 Besetzte Häuser in Berlin und wir haben es ab und an mal geschafft Hundertschaften von Bullen in die Flucht zu treiben. Das hat damals dazu gehört und gab uns das Gefühl, wir könnten es schaffen. Was haben wir noch so gemacht? Platten produziert, an Büchern mitgeholfen, Bücher nachgedruckt die wichtig sind, Kneipen, Konzerte...
Beavis: Oh, meine Punk Geschichte ist natürlich nicht so lang. Ich komm halt eher aus der No Future Punk Szene aus`m Osten, so auf'er Strasse leben ohne Ausweis und nix. Hab aber dann per Demos ein politisches Bewusstsein entwickelt.
Max: Ich finde das schon wichtig zu hören, das jemand aus der Szene wo du eigentlich herkommst, wo die Punks nur saufen, Klebstoff und Drogen, den Arsch nicht hoch kriegen, es jemand geschafft hat doch politisch fit zu werden.
Beavis: Ich hab meine Erfahrungen halt aus ner andern Richtung gemacht.
Max: Eben, ich hab halt nie auf der Strasse gelebt. Das sind Erfahrungen die schon sehr prägen würde ich mal sagen.
Beavis: Ich hab halt geschnorrt, ich weiss jetzt wieviel Geld mensch zusammen kriegt mit schnorren. Das ist teils mehr als mit Arbeit. Auch dank dem Laden hier hab ich mich dann weiterentwickelt.
(Da kommt wieder ein Kunde, und weg vom Thema sind sie. Mittlerweile ist die Fußball-WM Thema...)
Max: Jugoslawien hiess es gestern, da die Deutschen eins auf Maul gekriegt haben. Wir haben ja hier einen jugoslawischen Hausmeister und ich kenne noch einige hier in der Ecke. Die sagen dann immer sie seien nicht Jugoslawen sondern Bosnier, Serben oder Kroaten, da ich penetrant von Jugoslawien rede und so entsteht dann ne Diskussion. Hier vorm Haus hängt ne Deutschland Fahne, die für uns ja eigentlich geschäftsschädigend ist, sie hängt leider zu hoch als das wir da so richtig ran kommen. Der Hausmeister meint dann, ist doch nicht schlimm, so ne Deutschland Fahne. Dann sag ich: “Wer hat denn Slowenien und Kroatien so auf die Schnelle anerkannt und den Krieg nochmal so richtig angeheizt?! Hey, diese Fahne hat euer Land in`n Arsch gemacht!“ Dann muss er zugeben „Ja stimmt.“. Ich hab früher immer gesagt, wenn du es nicht schaffst in deiner engsten Umgebung, Familie, Arbeit oder Schule die Leute zu überzeugen, dass Anarchismus, wo Leute frei und unabhängig nebeneinander leben können, ein Weg ist, dann wird das nix. Hab dann festgestellt dass es eben nicht so einfach ist und etwas resigniert.
Mikro: Da bin ich doch noch optimistischer. Ich halte das halt so wie Paco Ignacio Taibo der zweite, der meinte bei ner Lesung letztens hier im Mehringhof, dass er auch krankhafter Optimist sei, weil die würden nur einmal Leiden. Die Pessimisten aber dreimal. Vor, während und nachher. Der Optimist leide halt nur nachher.
Max: Stichwort Lesung. In der Berliner Szene können anscheinend einige Leute nicht lesen. Ich finde lesen halt super wichtig, grad in einer anarchistischen Bewegung. In Spanien war die Arbeiterklasse so wissensdurstig, und heute sind die Leute hier schon überfordert wenn sie mal ein Flugblatt lesen sollen.
Mikro: (fühlt sich angesprochen, haha) Lass uns mal weitergehen zur nächsten Frage.

Romp: War die Bewegung früher politischer als heute? Oder eher anders rum?

Mikro: Durch die Erzählungen von Max kommt es mir schon so vor, dass es früher politischer zuging als heute.
Max: O.k was du aus deiner Sicht als früher und politischer ansiehst waren wohl die 80er, in unserer Zeit haben wir das selbe gesagt über 1936 in Spanien 1974/75 in Portugal oder 1979 bis in die 80er in Nicaragua. Früher war immer etwas was besser war als die momentane Situation.
Mikro: Ich glaub er meint die Punk Bewegung.
Max: Ja, ja, aber in erster Linie bin ich Mensch, dann Anarchist vielleicht und erst dann Punk. Ach komm, Punk das ist so ein Wort, jeder definiert es anders, für mich war Punk immer linksradikal und anarcho, aber es gibt ja leider genauso Proll & Oi Punk, sexistische Punks und Street Punk und und und... Für mich ist das Wort Punk nicht relevant. Mir ist es wichtiger das etwas authentisch rüber kommt, als das es Punk ist. So wie, was weiss ich Mano Negra, Manu chao oder vielleicht Quetschenpaua, was nie wer als Punk betiteln würde. Ich denk mal das es heute wohl auch schwieriger ist sich noch zu politisieren. Da hat jede Generation andere Punkte von früher oder heute. Gewisse Leute schnallen einfach nichts, ich mein wieso schnorren gewisse Strassen Punks in der eigenen Szene. Die sollen in die Fussgängerzone wo das Geld verteilt wird.
Beavis: Vielleicht so ein Ding von Würde bewahren und nicht betteln. Ich hatte frei gelebt ohne Ämterscheiss, war nirgends gemeldet und so.
Max: Den Punkt finde ich auch wichtig, denn wenn du nen Staat abschaffen willst, kannst du nicht von ihm leben wollen. Wenn du den Staat nicht willst, darfst du auch vom Staat nix wollen, lebst halt von dem was du findest. Ich mein, in andern Ländern ist das noch mehr verbreitet. Viele Leute in der Szene arbeiten nicht wirklich und leben von - ich nenne das jetzt - Transfer Leistungen. Ich hab ja selber lange Zeit mit Strassen Kids gearbeitet und das Ziel war sie wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Das zeigt dann auch wieder die Widersprüche dieses Systems und unsere eigenen auf.
Beavis: Schon nur ne Krankenversicherung ist natürlich ein entscheidender Vorteil den Menschen auf der Strasse nicht haben.
Max: Wir hatten früher z.B. ne Schwarzfahrerversicherung. Haben damals für den Null Tarif gekämpft, was heute auch kein Thema mehr ist. Wir sind nur schwarz gefahren und wenn wer erwischt wurde, hat die Versicherung das Bussgeld bezahlt. Dafür haben wir aber jeden Monat 10 Mark eingezahlt. Wir waren nicht unbedingt ne grössere Szene als heute, aber wir hatten ne funktionierende Schwarzfahrerversicherung. So was ähnliches gab es auch für Mieten, wenn du nicht bezahlen konntest, übernahm das auch so ne Art Versicherung. Es war viel solidarischer. Heute herrscht eine weitverbreitete Vereinzelung vor. Das haben die gut hingekriegt.
(Da haben die Helden das Tape ausgeschaltet und erst nach 20 Minuten gemerkt. Dann waren es nur noch Max und Mikro.)
Max: Ja, also wir haben hier einiges geredet was jetzt halt weg ist. Einige meinten früher, andere meinten heute wär politischer. Ich glaub die Vernetzung war früher direkter, mesch ist mehr von Stadt zu Stadt von Land zu Land gefahren um an Demos dabei zu sein z.B. Eigentlich haben wir uns damals einfach als Anarchisten oder Linksradikale oder Spontis bezeichnet. Die Autonomia Geschichte kommt ja eigentlich aus Italien. Die Bezeichnung Autonome kam erst so 83 nachdem die Hausbesetzer Szene schon etwas vorbei war.
(Da wechselten sie dann die K7 da die Andere immer abschaltete.)
Mikro: O.K. nun geht's weiter mit ner neuen K7 durch das ganze an und aus haben wir jetzt natürlich den Faden verloren.....
Max: Wir haben einiges geredet über Widerstand in der ehemaligen DDR und Neubrandenburg speziell, aber das kriegen wir nun nicht mehr so hin. Schade.
Mikro: Momentan finde ich einiges ein ziemliches Gepose. Wenn du Indymedia anguckst, da wird alles als grossartige Aktion dargestellt und aufgebauscht. Früher war das Interesse grösser was zu machen, als es danach in den Medien aufzubauschen. Es wäre besser, einfach zu machen ohne sich dann zu brüsten „Ich war dabei!“. Eigentlich sollte man über gewisse Aktionen eh nicht reden. Also wenn ich heute auf Inymedia lese, dass in Dortmund grad der braue Terror wütet, dann kann ich mir nicht vorstellen das es schlimmer als 1990 gewesen sein soll. Ich finde das dann lächerlich, wenn da dann nur 100 Leute auf ne Demo gehen, weil jede Kleinstadt mehr Leute auf die Reihe kriegt. Wir machten damals jeden zweiten Sonntag - in ner kleineren Stadt- mit 70 Leuten unsere Sonntags Spaziergänge in die Gegenden wo es brenzlig war. Standen da und meinten „Kommt jetzt mal raus!“. Das hat aber gefruchtet. Dann gab es halt noch die alljährlichen Schlägereien die am Herrentag vonstatten gingen, wo sich dann auch mal mit Latten mit Nägeln drin gekloppt wurde. So Sachen wurden thematisiert, denn die Faschos in unserer Kleinstadt mussten/sollten das mitkriegen und sich verpissen.
Max: Du musst das, glaub ich, etwas differenzierter angucken. Ich mein, bei euch war das schon ne andere Situation, so wie die 80er in Berlin oder Hamburg ne andere Situation war. Die Entschlossenheit der Leute ist da dann ausschlaggebend, nicht die Menge. Du kannst mit wenigen Leuten effektiv oft mehr erreichen als mit ner Demo von 3000 Leuten und Bullenketten. Auf der andern Seite gibt es auch genug Städte, da passiert dann gar nichts, wo du als Punk oder Farbiger einfach nicht hin kannst.
Mikro: Bei uns musste das auch erst mal wachsen, das hat auch zwei, drei Jahre gedauert, bis das was gefruchtet hat.
Max: Ja aber dafür brauchst du ne starke Szene die solidarisch ist, füreinander einsteht und Vertrauen hat. Du scheiterst teils ja schon in ner Grossstadt genug Leute zu finden denen du wirklich vertrauen kannst.
Wir haben uns wieder verzettelt. Aber ich finde es gab früher mehr Solidarität unter den Leuten.
Mikro: Es gibt zwar ne grosse Szene aber trotzdem zu wenig aktive Leute.
Max: Ich hab irgendwie auch das Gefühl dass sich immer alles wiederholt. Es wird mal aktiver und lässt dann aber wieder nach. Ich mein, die Gewaltdiskussion z.B., die kommt ja alle paar Jahre wieder. Die Bullen haben in den letzten 30 Jahren enorm dazu gelernt wie sie Demos angreifen und zerschlagen könne, aber wir stagnieren in unseren Aktionsformen.
Mikro: Ich finde grad, dass es seit der Freiräume Demo im März 09 wieder etwas aufwärts geht. Es war zwar eher ne Ausnahme, aber gut. Auch ich persönlich hab wieder mehr Spass an der Sache und die Leute machen sich wieder mehr `n Kopf.
Max: Ich denke militante Demos in Berlin sind zur Zeit nicht mehr möglich, da wir der Übermacht einfach nichts mehr entgegen zu setzen haben. Aber nach wie vor finde ich eine kleine entschlossene Demo effektiver als ne grosse die eher nach ner Volkswanderung aussieht. Die Frage ist ja auch immer wie viele Leute du erreichst.
Beavis: Jetzt kommt grad die Demo am Laden vorbei, ca. 200 Leute, viele Angehörige von Dennis, der erschossen wurde.
Max: Gute Parolen, gutes Leittransparent „Nicht Freund und Helfer sondern Richter und Henker“.

Romp: Ihr seid ja nicht nur ein Plattenladen. Was für Artikel führt ihr sonst noch und warum?

Max: Klar sind wir nicht nur ein Plattenladen sondern wie verstehen uns auch als einen politischen Laden in der Art eines Infoladens. Wir haben ne Wandzeitung und auch einiges an Literatur, darunter auch die gängigen Sachen wie Stressfaktor, Antifa-Info, Interim oder Entfesselt. wir haben auch sehr ausgewählte Bücher und Filme, Tapes, Shirts... Was haben wir eigentlich noch alles?
Mikro: Zapatisten Café aus Mexiko, CNT-Rotwein aus Catalunya.
Max: Halt alles Sachen die wir selber auch wichtig finden. Leider gibt es zu wenig Leute die Lesen, denn ich finde Lesen eventuell eine der wichtigsten Eigenschaft der Menschheit. Ich hab halt extrem viel gelernt dadurch.
Mikro: Um nochmal auf die Konsequenz zu sprechen zu kommen. Wir könnten auch viel mehr Klamotten anbieten, so wie das andere Läden machen um zu überleben, aber das wollen wir halt nicht. Wir kommen noch aus ner Zeit wo sich die Punks ihre T-shirts selber gemacht haben. Wenn Leute nun nach Schuhen fragen, dann empfehlen wir denen sie sollen bei Vegetarian shoes gucken, da die sowieso länger halten als Leder Boots.
Max:Wir haben auch zwei drei Shirts (limitiert auf 30)mit eigenen Motiven gemacht. Aber der Lesestoff ist mir eigentlich das Wichtigste. Da muss ich eventuell noch erwähnen, dass bestimmt die Hälfte der Leute die bei uns ein- und ausgehen keine Deutschen sind.
Mikro: Also Anti Deutsche? Ha Ha.
Max: Nee, das ist Quatsch. Aber dazu fällt mir ein, im Romp war mal ne super Kolumne welche die Frage aufwarf ob mensch nun nen eigenen Pass brauche für „Anti Deutschland“. Ha Ha.
Mikro: Ich hasse die Anti Deutschen.
Max: Die haben wirklich viel Stress gemacht um unsere Szene zu spalten. Momentan zum Glück nicht mehr so doll. Das ein oder andere Argument mag ja zutreffen, aber...
Mikro: Ein paar jugendliche diskutieren grad vorm Laden über unsere Wandzeitung und die Plakate.
Max: Die Anti Deutschen haben wirklich viel kaputt gemacht. Aber leider gibt es wirklich antisemitische Tendenzen auch in unserem Umfeld, was echt nicht zu tolerieren ist. Wie gesagt, gewisse Ansätze das Thema anzusprechen finde ich gut, nur sind sie völlig übers Ziel hinausgeschossen.

Romp: Was für zwiespältige Bands wollt ihr nicht in eurem Sortiment? ( Zwei, drei Beispiele und die Hintergründe wären interessant. Troopers, Lokalmatadoren, oder so Scheiss...)

Max: Also auf jeden Fall nichts was nur ansatzweise rechts und sexistisch ist. Deine zwei Beispiele sind halt Prolls und die Art hat uns nie interessiert. Das sind Leute aus der Berliner Punkszene die so im Trinkteufel rum hängen aber da haben wir nix mit zu tun.
Mikro: Zum Trinkteufel. Ich kenn halt die Besitzerin ganz gut und mag die auch. Die ist auch sehr konsequent was „Nazis raus!“ angeht. Aber das ist halt einfach nur ne Kneipe.
Max: Ich kann mit so Kneipen nix anfangen und auch nicht mit den Leuten die nix anders machen als in Kneipen rumzuhängen. Troopers und Trinkteufel passt zusammen, beides Unpolitisch meiner Ansicht nach. Zu den Lokalmatadoren, die haben nen eindeutigen Song gegen Nazis, das ist also klar, aber die haben ganz andere bescheuerte und prollige Texte. Und ich hab echt keine Lust so aussagslose Scheisse zu verkaufen. Stumpf ist Trumpf ist hier nicht. Sexistische Sachen, homophoben Dreck, Toughguy HC etc. wollen wir hier erst recht auch nicht haben.
Mikro: Jetzt haben wir wiedermal nicht gemerkt das das Diktiergerät aus war und haben bestimmt ne ½ Stunde geredet. (Schon schwer lallend)
Max: Also was wollen wir hier nicht haben: Krawallbrüder, Oxymorone scheisse, Stommper 98, oder Stomper 33, das brauchen wir auch nicht auszuführen wieso wir die scheisse finden.
Mikro: Ich finde es doof dass wir die alten Sachen von Amen 81 noch hier haben, wo alle sagen „O.k. das sind nicht die Platten mit den Anti- Deutschen Texten.“.
Max: Die alten Sachen wie „Nürnberg soll brennen“ sind ganz gross.
Mikro: Nee, die haben schon damals gegen Oi Polloi gewettert, das sind Typen die den letzten Knall nicht gehört haben.
Max: Vor der letzten Platte konntest du mit denen noch reden. Die neuste Platte hatten wir mal hier, haben sie uns angehört und fanden dann einstimmig das wir die nicht mehr haben wollen. Ich mein, so Scheisse wie der Pali Tuch-Song. Bin ich nun ein Faschist wegen meinem alten Pali Tuch oder was? Ich mein, das wird überall getragen und das ist meistens keine politische Aussage. Leider wird es mittlerweile auch von Nazis getragen, aber die klauen ja eh alles aus unserer Szene.
(Max bringt hier irgend ein Beispiel einer Band die in grad kürzlich gespielt habe, aber aus dem Hintergrund, so dass ich das nicht wirklich verstehen kann. Irgendwie geht es auch um Oi und Sexismus. Und dann ist mal wieder die K7 aus.)
Max: Wir quatschen jetzt hier schon seit Stunden und müssten dann mal zu nem Ende kommen. Ramstein ist ein gutes Beispiel. Ich kenne die von früher her, die kamen aus dem DDR-Untergrund-Punk Umfeld (Feeling B) und machten echt gute Sachen, dann gründen die ne neue Band und machen Videos mit Riefenstahl Sachen. Verdienen Geld wie blöd mit dieser Fascho Attitüde. Riefenstahl war jedenfalls für mich ne Faschistentussi. Ramstein sind für mich keine Faschos, aber sie profitieren davon das geht gar nicht, so wie der Tarantino Film Inglorious Basterds.
(Hier wird dann erstmal abgebrochen)
Mikro: So das wars jetzt wohl mit dem Interview.
Max: Den zweiten Teil müssen wir live machen, in Luzern oder Berlin, und mit weniger Drogen... Ist auch besser zum nachhaken und damit wir nicht immer völlig abschweifen. Ich denke es ist trotzdem ganz okay erstmal, für nen ersten Eindruck. Wir sind nicht immer so chaotisch (aber immer öfter...). Hier noch einige Tipps von uns zum hören, lesen, sehen...

Musik: Neue Katastrophen (beste deutsche Punkband im Moment), Sniffing Glue, Totälickers, Burnt Cross, Mass Hysteri (1.LP), Demokhratia (7“ aus Algerien), Sotatila („Eepee“), Kriegshög („Hardcore hell“-7“), Kommando Sonne-nmilch, Oiro (7“s)

Bücher: alles von Paco Ignacio Taibo II, Füchse der Ramblas, Autonome in Bewegung, Hau ab Mensch, Rebellisches Barcelona, the FREE, Besetze deine Stadt, Bewegung 2. Juni, Shibboleth

Filme: Berurier Noir „Meme pas mort“ (2 DVD + 1 CD), Pueblo en armas-DVD, Manu Chao „live Paris“-Video, Romper el cerco-DVD, Channel Zero-2 DVD, Zeiten des Zorns-Video, Guerilla Vision „on the barricades“-Video, the fourth world war-Video